Brief der Mutter eines politischen Gefangenen in der Todeszelle

Es folgt der Text eines Briefes von Khadijeh Azar Boya, Mutter des iranischen politischen Gefangenen Khosrow Besharat, an Javaid Rehman, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran:

Sehr geehrter Herr Javaid Rehman,

Ich bin Khadijeh Azar Boya, Mutter von Khosrow Besharat, eines sunnitischen politischen Gefangenen im Rajai Shahr-Gefängnis, der zum Tode verurteilt wurde. Zehn Jahre warte ich darauf, dass mein Sohn aus der Gefangenschaft entlassen wird. Welchen Schmerz und welches Leiden hatte ich in diesem Jahrzehnt wegen meines gefangenen Sohnes.

Nur eine Mutter kann die zärtlichen Gefühle einer Mutter verstehen.

Wie viele Nächte habe ich in der Hoffnung auf einen vielversprechenden Morgen vergeblich verbracht und wie viele Tage hatte ich gehofft, dass er der letzte Tag der Inhaftierung meines Sohnes sei.

Zehn Jahre Tag und Nacht zu Hause warten, ob jemand kommt, mir die Nachricht von der Entlassung und Freiheit meines Sohnes zu überbringen, und zehn Jahre an der Tür warten in der Hoffnung, dass mein Kind nach Hause kommt.

Zehn Jahre am Telefon sitzen in der Hoffnung, die Stimme meines Sohnes zu hören und dabei zu vergessen, wie das Gesicht meines Kindes früher aussah.

Da ich weit weg von meinem Sohn lebe und nachdem er ins Rajai Shahr Gefängnis deportiert wurde, konnte ich meinen Sohn in den letzten zehn Jahren nicht mehr besuchen. Jedes Mal, wenn ich mit Leid und Glücksgefühl meinen Sohn besucht hatte, kehrte ich nach dem kurzen 20-minütigen Besuch mit Tränen und brennenden Augen nach Hause zurück.

Ich hatte gewünscht, diese kurzen Momente des Treffens würden niemals enden und ich würde immer bei meinem Sohn sein und ihn keinen Augenblick vermissen.

Ich weiß nicht einmal, welche Farbe Glück hat und dass man auf ein Leben ohne Schmerz, Trauer und Erwartung hoffen kann.

Ich habe zehn Jahre voller Hoffnung und Erwartung verbracht, eine Hoffnung, die noch keine Wirklichkeit geworden ist und die so aussieht, als ob sie niemals eintreten sollte, solange es Tyrannei, Grausamkeit und Gesetzlosigkeit gibt, solange man den schönen Teil des Lebens nicht sehen kann.

Sehr geehrter Herr Javaid Rehman,

Als er 2009 mein Sohn verhaftet wurde war er erst 23 Jahre alt. Jetzt ist er 34 Jahre alt. Er verbrachte die besten Jahre seiner Jugend im Gefängnis, ohne ein Verbrechen und eine Sünde begangen zu haben.

Ich bin gebrochen, alt und entmutigt. Die Worte Lachen, Glück und Freude bedeuten mir nichts mehr.

Als 2017 das Todesurteil meines Sohnes von der 41. Abteilung des Obersten Gerichts abgewiesen wurde, sagte ich mir, dass das Warten vorbei war und die Hoffnung auf die Rückkehr meines Sohnes groß war. Aber das Glück dauerte nicht lange, wegen der Wiedereinsetzung seines Todesurteils durch Abolghasem Salavati, Leiter der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts, obwohl er von der Staatsanwaltschaft von Mahabad vollständig freigesprochen worden war.

Am schwersten und schwerwiegendsten ist vor allem, dass nach fast zehn Jahren des Wartens auf den Freispruch und die Freilassung meines Sohnes der einzige Grund, ihn zehn Jahre lang in Unsicherheit zu lassen, darin besteht, dass es keine Beweise für sein Verbrechen gibt.

Leider hat die Abteilung 41 des Obersten Gerichtshofs das von der Abteilung 15 verhängte Todesurteil gebilligt.

Sehr geehrter UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte,

Wie kann die 41. Abteilung des Obersten Gerichtshofs ohne Grund und nur auf der Grundlage eines Geständnisses des Angeklagten, eines Geständnisses, das nie zustande gekommen ist, gegen das Urteil der vorläufigen Todesstrafe der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts verstoßen? Aber zum zweiten Mal, obwohl der Fall derselbe bleibt, bestätigte sie das Todesurteil.

Erteilen und genehmigen die Gerichte der Islamischen Republik Befehle nur durch Unterwanderung des Geheimdienstes?

Sehr geehrter Herr Javaid Rehman

Mein Sohn wurde Opfer einer Verschwörung und einer Verfehlung des Geheimdienstes von Mahabad und Orumiyeh. Sie wollen meinen unschuldigen Sohn hinrichten.

Ich fordere Sie, den UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran, auf, sich gegen dieses grausame Urteil einzusetzen und mir meinen Sohn zurückzugeben.

Khadijeh Azar Boya